Überwacht

Vor einigen Monaten hat sich an dieser Stelle Linda Bär darüber geärgert, dass die SP-Gemeinderatsfraktion ihrer Meinung nach nicht Willens war, das von der Delegiertenversammlung verabschiedete Positionspapier zur Videoüberwachung umzusetzen und quasi der Installation von Überwachungskamera bei Schulhäusern zustimmte. Die Mehrheit der Fraktion sah dies freilich anders. Das Resultat dieser Meinungsverschiedenheiten war eine spannende Veranstaltung unter dem Titel „Videoüberwachung konkret“, organisiert durch die Fraktion. Mit unterschiedlichen Referenten wurde die konkrete Videoüberwachung, welcher wir tagtäglich ausgesetzt sind, diskutiert.

 

Schnell wurde klar, dass die Linien zwischen pro und contra nicht mehr so klar verlaufen, wenn es um konkrete Beispiele geht. Ich persönlich kann mit der zunehmenden Überwachung nichts anfangen und erkenne darin kaum Nutzen und Vorteile. Beim Stichwort „Crowd-Management“ liess ich mich jedoch schon fast vom Nutzen einer Videoüberwachung überzeugen. Da ich selbst schon einmal mitten in einer solchen sich zusammendrückenden Menschenmenge war und mich während Minuten nur noch auf eine Sache konzentrierte – nämlich irgendwie zu überleben und somit auf keinen Fall hinzufallen (was sehr leicht tönt, aber in einer dichten Menschmenge unerwartet schwierig ist) – dachte ich, man muss alles tun, um solche Situationen zu verhindern. Doch dieses Erlebnis hat mir auch gezeigt, wie schnell und überraschend es geschehen kann und es stellt sich die Frage, was die Polizei in solchen Momenten überhaupt tun kann. Als dann noch erwähnt wurde, dass die beim vorletzten Züri-Fest stattgefundene Beinahe-Massenpanik gar nicht von den Videokameras erfasst wurde, stellte ich mir zudem die Frage, ob mit der Videoüberwachung oft nicht auch eine falsche Sicherheit vorgegaukelt wird.

 

Erstaunlich ist dabei, dass es kaum Datenmaterial gibt, welches Aussagen zum Nutzen von Videoüberwachung machen könnte. So gibt es offenbar keine Statistik, die belegen könnte, wie viele Straftaten dank Videobildern aufgeklärt werden konnten. Und die VBZ ist nicht im Stande zu beziffern, in wie weit die inzwischen massive Überwachung in den Trams und auf den Haltestellen hilft, Vandalismus zu verhindern. Einzig seitens IMMO gab es dazu eine verlässliche Aussage: bei den videoüberwachten Schulhäusern gab es kaum noch die Zerstörung.

 

Aus sozialdemokratischer Sicht gibt es sicher wichtigere Themen. Doch schlussendlich geht es auch hier um die Frage, welche Gesellschaft wir wollen. Wollen wir ständig und überall überwacht werden und uns dafür etwas sicherer fühlen? Oder wollen wir uns im öffentlichen Raum fortbewegen können, ohne dabei von allen Seiten gefilmt zu werden? Wird unsere Freiheit durch die zunehmende Überwachung eingeschränkt? Oder geben die vielen Kameras uns die nötige Sicherheit, um uns frei zu bewegen?

 

So werden wir wohl auch in Zukunft trotz Positionspapier im konkreten Fall die Diskussion wieder führen und abwägen, was uns wichtiger ist. Dank der Grundlage durch das Papier und der informativen Veranstaltung wird die Entscheidung zwar nicht leichter, aber mit Sicherheit noch differenzierter ausfallen.